Mitarbeiter Serkan Toprak im Darmstädter Echo

Serkan Toprak beim Paragliding in Fetihe

MÜHLTAL/ISTANBUL - Als die Wirthwein AG zum 1. Januar 2015 insgesamt 70 Prozent an dem türkischen Unternehmen Farel Plastik A. S. übernimmt, ahnt Serkan Toprak noch nicht, welche berufliche Chance sich für ihn ergeben wird. Für die Wirthwein-Gruppe, die seit 2005 Eigentümer der Mühltaler RIEGLER GmbH & Co. KG ist, steht schnell fest: Ein Mann aus den eigenen Reihen soll den Standort nahe Istanbul aufbauen - einer mit türkischen Wurzeln und interkulturellen Kompetenzen wie Serkan Toprak.

Der heute 30-Jährige ist noch dazu ein Riegler-Eigengewächs. 2002 schließt er seine mittlere Reife ab, um anschließend eine dreijährige Berufsausbildung zum Werkzeugmechaniker in Mühltal zu beginnen. "Nach meiner Übernahme habe ich im Werkzeugbau verschiedene Positionen durchlaufen", erzählt Toprak. Mittlerweile ist er stellvertretender Abteilungsleiter. Die Grundlage hierfür ist eine berufsbegleitende IHK-Weiterbildung zum Industriemeister Fachrichtung Metall, die er Anfang 2015 abschließt.

RIEGLER AUS MÜHLTAL - EIN TEIL DER WIRTHWEIN-GRUPPE

Seit 2005 gehört die Riegler GmbH & Co. KG mit ihren drei Standorten in Nieder-Ramstadt und Ober-Ramstadt zur Wirthwein AG, einem familiengeführten Unternehmen aus dem Bereich Kunststoffverarbeitung und Innenausbau.

Der Stammsitz der Unternehmensgruppe befindet sich im baden-württembergischen Creglingen, einer knapp 5000 Einwohner zählenden Stadt im fränkisch geprägten Nordosten des Bundeslandes - direkt an der Grenze zu Bayern.

Obwohl Konzerne mit Weltruf zur Kundschaft der Wirthwein-Gruppe zählen, ist sie weitgehend unbekannt.

Im Jahr 2007 übernahm die Wirthwein AG das ehemalige "Scheuch-Gelände" in Nieder-Ramstadt, wo zuvor Folien produziert worden waren - dadurch konnte die Fertigungskapazität bei der Tochter Riegler verdoppelt werden.

Das 1949 gegründete Familienunternehmen Wirthwein beschäftigt an weltweit 20 Standorten rund 3650 Mitarbeiter und setzt mit ihnen knapp 500 Millionen Euro pro Jahr um - im Jahr 2016 investierte die Wirthwein-Gruppe rund 18 Millionen Euro.

Neben der Medizintechnik betätigt sich die Unternehmensgruppe auch in den Geschäftsfeldern Automotive, Bahn, Energie, Hausgeräte und Innenausbau - diese große Diversifikation ermöglicht den Austausch von Know-how und schafft eine hohe Flexibilität, beispielsweise beim Bau der Spritzgießwerkzeuge.

Die Produktionsstandorte der Wirthwein-Gruppe befinden sich in Deutschland, Polen, USA, China, Spanien und Türkei.

Die Riegler GmbH & Co. KG wurde 1946 gegründet und setzt mit ihren 300 Mitarbeitern rund 40 Millionen Euro um. (apd/tm)

 

"Werkzeugmechaniker ist ein sehr schwieriger Beruf, bei dem man mit technischen Zeichnungen umgehen können muss", beschreibt Toprak den Reiz seiner Tätigkeit. "Außerdem muss man sehr feinfühlig sein, um die tausendstel Millimeter zu fühlen." Das Beste an seinem Beruf sei allerdings die Möglichkeit, die eigene Arbeit begutachten zu können: "Und dabei zu sehen, wie das Werkzeug, das man selbst gefertigt hat, funktioniert und zur Produktion beiträgt."

Und genau das macht Serkan Toprak mittlerweile in der Türkei. "Ich wurde im Vorfeld von meinem Chef auf die Planungen seitens Wirthwein in der Türkei angesprochen", so Toprak. "Dabei kam natürlich auch die Frage auf, ob ich mir vorstellen kann, dort zu arbeiten und den Werkzeugbau mit aufzubauen." Toprak kann - und so packt er nach einem Kurzaufenthalt im Mai 2015 fünf Monate später endgültig die Koffer und zieht in das Heimatland seiner Eltern.

"Aktuell bin ich bei Farel in einem zehnköpfigen Team als Leiter im Werkzeugbau tätig", erklärt Toprak seine Tätigkeit. "Ich koordiniere die Wartungs- und Instandhaltungsaufträge der Spritzgusswerkzeuge und betreue die Neugestaltung des Werkzeugbaus." Dabei gehören auch die Ausbildung des Teams und das Bedienen der Zerspanungsmaschinen zu seinen täglichen Aufgaben. Eine abwechslungsreiche Tätigkeit.

Der Alltag gestaltet sich an seinem neuen Wohnort allerdings ein wenig anders als in Deutschland. "Die Arbeitszeiten sind hier sehr lang", so Top-rak. "Ich arbeite täglich bis zu elf Stunden - dadurch wird die Freizeit natürlich beeinflusst." Viel Zeit für Hobbys bleibt da nicht. Dennoch versucht Toprak die arbeitsfreie Zeit zu nutzen, um die Türkei besser kennenzulernen. Immerhin wohnt nach wie vor ein Teil der Verwandtschaft dort.

"Meine Familie lebt aber in Deutschland", schildert Toprak und kommt zu dem großen Wermutstropfen seiner beruflichen Station: seine zwei kleinen Kinder. Die kann er nämlich nicht häufig sehen. "Es ist sehr schwierig für mich, hier in der Türkei ohne meine Kinder zu sein", sagt er dazu. "Zum Glück gibt es heutzutage Skype und die sozialen Netzwerke."

Ansonsten sei das Leben insgesamt stressiger und man habe weniger Freizeit sowie Urlaub, fasst er die Unterschiede zu Deutschland zusammen. "Und natürlich spielt die Flüchtlingskrise hier eine große Rolle", erzählt Toprak. "Hier gibt es sehr viele Flüchtlinge und es macht mich sehr betroffen, all diese armen Menschen zu sehen."

Voraussichtlich bis März 2017 ist er noch in der Türkei stationiert, bevor es zurück zur Familie und auch zurück zu Riegler nach Mühltal geht. "Wobei sich mein Aufenthalt natürlich auch verlängern oder in besonderen Fällen verkürzen kann", sagt Serkan Toprak abschließend. "Man kann nie wissen, was das Leben einem bringt."